
"Die Regelung halte ich für skandalös, ein Arbeitgeber darf keinen so weit gehenden Eingriff in die Freizeit des Arbeitnehmers vornehmen", sagt Arbeitsrechtsexperte Professor Wolfgang Däubler (64) von der Uni Bremen.
Die Äußerungen des Dr. jur., Professor für Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht an der Universität Bremen, Ehemann der inzwischen gestürzten Bundesjustizministerin Frau DR: Herta Däubler-Gmelin, Herrn W. Däubler, können nicht widerspruchslos hingenommen werden:
Im Arbeitsrecht hat die verkehrswesentliche Eigenschaft des Arbeitnehmers besondere Bedeutung, wie z. B. die Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Kassierers oder die Unbescholtenheit eines Lehrers, aber auch die Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin, wenn sich diese auf das Arbeitsverhältnis auswirkt, etwa bei einem Mannequin.
Ein Irrtum über solche Eigenschaften kann gravierende und für den Arbeitnehmer, aber auch für den Arbeitgeber unbillige Folgen haben. Irrt sich nämlich der Arbeitgeber über eine solche Eigenschaft des Arbeitnehmers i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB oder wird er von diesem darüber sogar i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB arglistig getäuscht, so kann er den Arbeitsvertrag anfechten. Die Anfechtung wirkt gemäß § 142 Abs. 1 BGB grundsätzlich rückwirkend (sog. ex-tunc-Wirkung), d. h. das Vertragsverhältnis gilt als von Anfang an nichtig. Das Arbeitsverhältnis existiert nicht, der Arbeitnehmer verliert den Arbeitsplatz, der Arbeitgeber verliert die Arbeitskraft.
Um diesen unter keinen Umständen tragbaren Folgen im Vorfeld entgegen zu treten, erkundigt sich der Arbeitgeber in einem Vorstellungsgespräch ständig nach eventuellen für den Betrieb bedeutsamen Eigenschaften des Bewerbers, vgl. jüngste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts 2 AZR 621/01 vom 06.02.2003 (Quelle:www.recht-in.de/urteile/rechtsgebiet.php?rg=4).
Die höchstrichterliche Rechtsprechung fordert hierbei sachliche Rechtfertigung der Fragen, indem das Bundesarbeitsgericht ausführt: "Ein Fragerecht des Arbeitgebers bei den Einstellungsverhandlungen wird ... insoweit anerkannt, als der Arbeitgeber ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat. Ein solches berechtigtes Interesse ist nur dann gegeben, wenn das Interesse des Arbeitgebers so gewichtig ist, daß dahinter das Interesse des Arbeitnehmers, seine persönlichen Lebensumstände zum Schutz seines Persönlichkeitsrechts und zur Sicherung der Unverletzlichkeit seiner Individualsphäre geheimzuhalten, zurückzutreten hat." (Ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. Urteil vom 07.06.1984, 2 AZR 270/83 (www.jurawelt.com/gerichtsurteile/ sonstige/arbeitsrecht/bag/1708), Urteil vom 05.10.1995, nachzulesen in NZA (Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht) 1996, 371 ff).
Bei den Einstellungsverhandlungen des Eitmann-Verlags mit den Bewerbern handelt es sich bei deren Eigenschaften als Nichtraucher um eine mit konkretem Bezug zum Arbeitsplatz sachlich gerechtfertigte Qualität, die gerade für dieses Arbeitsverhältnis von entscheidender Bedeutung ist. Es ist die Philosophie dieses Unternehmens, die sich nach Grundsätzen des heutzutage sehr aktuellen Umweltschutzes sowie des Gesundheitsschutzes der Nicht- und Passivrauchern richtet. "Wir wollen Signale setzen zum Schutz der Nichtraucher. Wir verlegen Bücher über Umwelt, Gesundheit und die Schädlichkeit des Passivrauchens. Mitarbeiter, die qualmen, passen nicht zu uns", erklärt Verlagsleiter Herr Frank Wöckel.
Es wurde in der letzten Zeit von manchen Gegnern des vom Eitmann-Verlag praktizierten Gesundheitsschutzes der Mitarbeiter und deren Angehörigen sowie des Umweltschutzes behauptet (wie im besagten Bild-Artikel), bei solch einer Einstellung müssten einige, wie zum Beispiel die Mitarbeiter von Zigarettenhersteller Reemtsma, zum Rauchen verpflichtet werden, die Mitarbeiter bei Optiker Fielmann zum Brilletragen und die Fordmitarbeiter müßten verpflichtet sein, nur Ford zu fahren. Indes wird von ihnen aber ein grundsätzlicher Fehler begangen. Sie outen sich insoweit, dass sie kein Verständnis von Betriebswirtschaft und moderner Unternehmenspolitik vorweisen.
Das Unternehmen von heute - das Beispiel von Reemtsma wurde bereits angeführt - ist kontinuierlich auf Profit ausgerichtet. Der moderne Manager achtet hierbei nahezu gar nicht auf die womöglich lauernden Todesrisiken, die hinter der "übrigen" Tätigkeit stecken.
In einem Gerichtsprozeß sind kürzlich in den USA die größten Konzerne der Tabak-Industrie (Phillip Morris, Reynold's, BAT) zu insgesamt 249 Milliarden Dollar Strafgeldern verurteilt worden. Grund war die Zeugenaussage des Insiders Dr. Jeffrey Wigang, des gefeuerten Chef-Chemikers eines Tabakkonzerns. Mit viel Geld und schließlich Morddrohungen an ihn und seine Familie wollte man ihn von der Veröffentlichung seines Insider-Wissens abhalten. Doch er blieb standhaft und berichtete von bis zu 200 verschiedenen Chemikalien, die in einer Zigarette enthalten sind. Er sprach auch davon, dass dem Tabak bestimmte Beimischungen (z.B. Ammonium als Nicotin-Beschleuniger) zugefügt werden, die das Suchtpotenzial noch erhöhen, so dass schneller zur nächsten Zigarette gegriffen wird. Ammonium macht nämlich noch schneller süchtig als Nicotin und verschafft damit der Industrie noch mehr Gewinne! (zit. nach http://www.umweltbrief.de/neu/html/archiv/tipp14.txt).
Dass das Ziel angeblich die Mittel rechtfertigt, ist offensichtlich zum Unternehmensmotto größerer Konzerne geworden. Als Gesellschaft der Imperial Tobacco Group beweist es Reemtsma selbst, indem die Devise der Gruppe mit Wörtern von Charles Kingsley's "Westward Ho!" wie folgt heißt: "When all things were made, none was made better than tabacco; to be a lone man's companion; bachelor's friend; a hungry man's food; a sad man's cordial, a wakeful man's sleep, a chilly man's fire. There's no herb like it under the canopy of Heaven" (http://www.reemtsma.com/de/; http://www.imperial-tobacco.com/). Und dass man im Unternehmen darauf ausgerichtet ist, "to pursue opportunities for profitable international development in selected markets" und hierbei völlig den Gesundheitsschutz übersieht bzw. nicht deutlich genug zum Ausdruck bringt, weist eindeutig auf Missachtung der schädlichen Folgen des Rauchens hin.
An den Folgen ihres Tabakkonsums sterben jährlich vorzeitig weit über 140.000 Menschen in Deutschland. Der Konsum keines anderen Suchtmittels führt annähernd so häufig zum Tode. Insbesondere die Situation bei den Jugendlichen gibt Anlass zur Sorge. Das Einstiegsalter liegt zwischen 13 und 14 Jahren. Neuesten Erkenntnissen zufolge greift in Deutschland fast jedes dritte Mädchen im Alter von 15 Jahren zur Zigarette, bei den Jungen ist es in derselben Altersklasse bereits jeder vierte. Die Zigarette ist ein Produkt mit extremem Gefährdungspotential. Raucherinnen und Raucher inhalieren ein Gemisch von etwa 4.000 unterschiedlich toxisch wirkenden Stoffen. Neben Kanzerogenen weist der Zigarettenrauch verschiedene organische Verbindungen, Lösungsmittel, Schwermetalle sowie gasförmige Stoffe auf, die ebenfalls gesundheitsschädigend sind, wie z.B. das Kohlenmonoxid.
(http://www.weltnichtrauchertag.de/konzeptpapier_koalition.pdf)
Mit einer solchen einseitigen Profit-Einstellung ist es unseres Erachtens unvereinbar, dass sich der Reemtsma-Konzern unserer Unternehmenspolitik gegenüber uneinsichtig zeigt, und statt Maßnahmen des Gesundheitsschutzes zu ergreifen, lediglich auf einen verständnisvollen Umgang zwischen Rauchern und Nichtrauchern hofft. Wir legen mehr Wert auf die Gesundheit, die Umwelt und das Leben aller Menschen.
Schließlich besteht die Haupttätigkeit unseres Verlages im Verlegen, Veröffentlichen und Verbreiten der Bücher. Unsere Mitarbeiter entscheiden selbstverständlich frei, ob sie diese erwerben oder auch nur einmal anlesen. Es ist kein Vertragsbestandteil, den Verlag mittelbar finanziell zu unterstützen, und es besteht keine Verpflichtung dazu. Für uns ist viel wichtiger, dass wir mit den Mitarbeitern in gleicher Richtung denken und nicht vergessen, dass wir in einer gemeinsamen Welt leben.
Die Raucher können demzufolge (selbst wenn man unterstellt, man rauche nur in der Freizeit) nicht mit unserem Unternehmen an einem Strang ziehen, was jedes rücksichtsvolle und vertragstreue Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber erfordert und was naturgemäß zum erstrebenswerten Ziel dieses Arbeitsverhältnisses gehört. "Wir wollen eben nur Mitarbeiter, die überzeugt sind von dem, was wir machen", - erklärt Verlagsleiter Herr Wöckel. Um später nicht gezwungen zu sein, die Raucher rechtmäßigerweise kündigen zu müssen, erkundigt sich der Eitmann-Verlag bereits im Vorstellungsgespräch darüber, ob im Arbeitsverhältnis die Chemie stimmen wird. Denn gerade das führt dann zu einem ausgezeichneten Arbeitsklima, hervorragenden Leistungen und, im Ergebnis, zur erfolgreichen Zusammenarbeit.
Diese Merkmale sind zur Grundlage kontinuierlicher höchstrichterlicher Rechtsprechung seit den Urteilen des BAG vom 01.08.1985, 2 AZR 101/83 (www.rechtsanwaltschlag.de/faq.htm) sowie vom 20.05.1999, 2 AZR 320/98, (www.fachanwalt-arbeitsrecht.de/texte/60.htm) geworden, wobei das Arbeitsverhältnis als solches geschützt wird.
Hier wird es offenkundig, dass die einseitigen und dürftigen Ausführungen des Professors Däubler einer eingehenden juristischen Prüfung nicht stand halten und folgerichtig nicht ernst zu nehmen sind.
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